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Beitrag vom 24.09.2017
DIE BESTE ALLER WELTEN. Ein Film von Adrian Goiginger. Nach einer wahren Geschichte. Ab 9. März 2018 auf DVD und VOD
Tina Schreck
Der mehrfach preisgekrönte Film mit Jeremy Miliker und Verena Altenberger, ausgezeichnet von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat besonders wertvoll, thematisiert die innere Zerrissenheit der heroinsüchtigen Helga, die trotz ihrer Abhängigkeit die bestmöglichste Mutter sein will für ihren 7-jährigen Sohn, den sie abgöttisch liebt.
"Eigentlich geht´s darum, dass a Mutter ihr Kind so lieb hot. Die böse Seite sind die Drogen und die gute Seite is des Kind", in einem Tweet erklärt der heute achtjährige Jeremy Miliker, der die Rolle des Adrian Wachter verkörpert, "worum es in dem Film geht und was der Titel bedeutet". "Es ist eine Liebesgeschichte", sagt der Regisseur und Drehbuchautor, der "echte" Adrian, rückblickend über diese innige und gleichzeitig komplizierte Mutter-Sohn-Beziehung. Und er muss es wissen, denn der bewegende Film basiert auf seiner eigenen Lebensgeschichte. Somit stellt er auch eine Hommage an seine 2012 im Alter von 39 Jahren an Krebs verstorbene Mutter dar. Eine starke Frau, die immer versucht hat, ihrem Sohn, aller widrigen Umstände zum Trotz, eine liebevolle und behütete Kindheit zu ermöglichen.
Berauschendes Abenteuer
Schauplatz des Films ist das österreichische Salzburg, international bekannt für seine Festspiele, Mozart und die wunderschöne Altstadt. Doch es gibt auch eine Kehrseite, die von den Salzburger_innen und der Politik vertuscht wird, und über die niemand spricht: die seit Jahrzehnten existierende Rauschgiftszene am Stadtrand. Adrian Goiginger, der in genau diesem extremen Umfeld aufwuchs, zeichnet eine authentische Milieustudie der Drogensüchtigen der 90er Jahre, indem er die Junkies, Dealer, Kleinkriminelle und Arbeitslose nicht als abstoßende Monster, sondern als "normale Menschen" vorstellt. Menschen die leben, leiden und lieben. Dem kleinen Adrian geht es nicht schlecht. Die Männer, die ständig in der mit Tüchern abgedunkelten Wohnung inmitten von Bierdosen, Vodkaflaschen, Aschenbechern und Zigarettenstummeln herumhängen, sind seine Freunde. Sie spielen, lachen und tanzen mit ihm. Dass sie sich in seiner Gegenwart im Rausch befinden, realisiert er nicht. Auch Helgas Lebensgefährte Günter (Lukas Miko), ebenfalls heroinabhängig, kümmert sich so gut er kann um den Jungen. Für alles, was Adrian seltsam vorkommen könnte, findet seine Mutter märchenhafte Erklärungen, die ihr phantasievoller Sohn in seine Abenteuergeschichten einbaut. Gemeinsam kochen sie "Zaubertränke", kämpfen gegen "Dämonen" und geben sich gegenseitig Halt. Adrian ist das Wichtigste in ihrem Leben…zumindest fast.
"When the smack begins to flow, and I don´t really care anymore",
sang schon Lou Reed 1967 über die Wirkung der verhängnisvollen Droge Heroin. Auch Helga gleitet im Rausch oft ab und vergisst die Welt um sich herum. Sie schläft ein, wenn Adrian ihr seine selbstgeschriebenen Abenteuergeschichten vorliest, merkt nicht, wenn er sich nachts rausschleicht oder einer ihrer Freunde grob zu ihm wird. So auch an dem Tag, an dem sich ihr Dealer, der "Grieche" (Michael Pink), in der Drogenhöhle langweilt und er den Jungen gewaltsam zum Schnapstrinken zwingen will. "Wos bist´n du für a Wixer!?" pöbelt er, als Adrian sich schreiend und um sich schlagend zur Wehr setzt. Erst durch das Gebrüll wird Helga wach und rettet ihren Sohn. Szenen wie diese gehen tief. Sie schockieren und wirken erschreckend echt, nicht zuletzt wegen der oftmals improvisierten Dialoge im Salzburger Dialekt. "Des hod nix mit dir zum doan", beruhigt sie ihn später und fasst zum wiederholten Male den Entschluss, endgültig mit den Drogen auszuhören. Vergeblich.
Zwischen Leben und Tod
Allmählich dämmert es dem kleinen Adrian, dass mit seiner Mutter etwas nicht stimmt. Die Streitigkeiten zwischen ihr und Günter nehmen zu, immer wieder eskaliert die Situation. Es geht um die Sucht, ums Aufhören und Helgas Angst vor dem Jugendamt. Als sich der "Grieche" auf ihrem Bett den goldenen Schuss setzt, lässt sich die Außenwelt nicht länger aussperren. Sie ist gezwungen, die Polizei zu alarmieren und sich mit Adrians Gefühlen auseinanderzusetzen, der den Toten im Schlafzimmer gefunden hat. "Wenn du amoi stirbst, leg i mi zu dir ins Bett eine und loss di nie, nie wieder los", beteuert dieser ihr am selben Abend und kuschelt sich fest an sie heran. Helgas sorgsam aufgebaute, "heile" Welt, beginnt vor ihren Augen einzustürzen und sie weiß, dass sie ihr Leben ändern muss, wenn sie ihren Sohn nicht für immer verlieren will.
Ein eingespieltes Duo
Die renommierte Film- und Theaterschauspielerin Verena Altenberger brilliert in der Rolle der drogensüchtigen Helga, für die sie unter anderem als beste Schauspielerin bei der diesjährigen Diagonale sowie beim Internationalen Filmfestival Moskau ausgezeichnet wurde. Denn sie spielt die heroinabhängige Mutter nicht nur, sie verkörpert sie. Dazu tauchte sie tief in die Salzburger Junkieszene ein und verbrachte ganze Tage mit den Menschen dort. Außerdem bekam sie Hilfe von Adrian Goigingers Stiefvater Günter, der bei den Dreharbeiten anwesend war, um ihr und den anderen Schauspieler_innen den praktischen Umgang mit Drogen zu erklären. An ihrer Seite feiert der heute achtjährige Jeremy Miliker in der Rolle des jungen Adrian sein Kameradebüt. Der Grundschüler aus St. Johann im Pongau setzte sich durch seine Natürlichkeit und sein spezielles Talent, sich intuitiv in die verschiedensten Situationen hineinzuversetzen, gegen 200 junge Casting-Kandidaten durch. Damit die enge Mutter-Sohn-Bindung überzeugend dargestellt werden konnte, verbrachten die beiden Protagonist_innen vor Drehbeginn viel Zeit miteinander, wodurch auch im echten Leben eine nahe Beziehung entstand. Die daraus resultierende Spielharmonie verleiht dem Film eine unvergleichliche Authentizität, die an Emotionalität kaum zu überbieten ist.
AVIVA-Tipp: Ein bewegender Film, der deutlich macht, dass Drogensucht jede/n treffen kann und nicht zwangsläufig als Parameter für eine schöne oder schlechte Kindheit betrachtet werden sollte. Denn am Ende ist es die Liebe, die wirklich zählt und jede Sucht besiegen kann. "Die beste aller Welten" ist die rührende Hommage eines Sohnes an seine Mutter, um ihr zu sagen: Mama, für mich warst du die Beste. Auch, wenn sie es nicht mehr hören kann.
Zur Hauptdarstellerin: Verena Altenberger wurde am 11. November 1987 in Schwarzach im Pongau, Österreich geboren. 2015 schloss sie ihr Schauspielstudium an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien ab. Zudem absolvierte sie ein Bachelor-Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. In den Jahren 2010/11 wirkte sie beim Jungen Burg Ensemble des Wiener Burgtheaters mit und spielte in Stücken wie "Alice im Wunderland" oder "Bonnie und Clyde". Mit einer Nebenrolle in dem Thriller "Die Hölle" (2016) von Oscar – Preisträger Stefan Ruzowitzky machte sie schließlich auch international auf sich aufmerksam und ist seit Anfang 2017 in der RTL-Fernsehserie "Magda macht das schon" als Hauptdarstellerin zu sehen.
Auf dem 39. Int. Filmfestival in Moskau (MIFF) wurde Verena Altenberger für ihre Rolle in "Die beste aller Welten" als beste Schauspielerin ausgezeichnet.
Mehr Infos zu Verena Altenberger unter: www.verena-altenberger.com
Zum Regisseur: Adrian Goiginger 1991 in Salzburg geboren, hatte er schon im Alter von elf Jahren den Traum, Regisseur und Drehbuchautor zu werden. Nach mehreren Kurz- und Spielfilmen ("Unforgettable", "Aitch", "Das große Erwachen", "Hi Fonyód!" und "12 Karat" ist "Die beste aller Welten" sein erster Langfilm. "Die beste aller Welten" lief auf der Berlinale 2017 in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" und wurde dort mit dem Kompass-Perspektive-Preis für den besten Film der Reihe ausgezeichnet. Auf der Diagonale und beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern wurde der Film 2017 mit dem Publikumspreis und Goiginger mit dem NDR-Regiepreis ausgezeichnet.
Mehr Infos zu Adrian Goiginger unter: www.salzburg.gv.at und www.imdb.com
DIE BESTE ALLER WELTEN im Rahmen der 8. Verleihung der Österreichischen Filmpreise in fünf Kategorien ausgezeichnet
Im Auditorium Grafenegg/ Niederösterreich wurden Adrian Goiginger in der Kategorie "Beste Regie" und "Bestes Drehbuch, Verena Altenberger als "Beste weibliche Hauptrolle", Lukas Miko als "Beste männliche Nebenrolle" sowie die Produzenten Nils Dünker und Wolfgang Ritzberger sowie Regisseur Adrian Goiginger für den "Besten Film" mit Preisen geehrt.
Die beste aller Welten
Österreich/Deutschland 2017
Regie und Drehbuch: Adrian Goiginger
Darsteller_innen: Verena Altenberger, Jeremy Miliker, Lukas Miko, Michael Pink
Schnitt: Ingrid Koller
Ausstattung: Veronika Merlin
Kostüm: Monika Gebauer
Verleih: Filmperlen
Vertrieb:ALIVE HOME ENTERTAINMENT
Länge: 98 Minuten
Kinostart: 28.09.2017
Auf DVD und VOD: Ab 9. März 2018
Mehr zum Film und der Trailer unter: diebesteallerwelten.at und www.facebook.com/DBAWFilm